Büchel schreibt im Nachrichtenmagazin FOCUS zur Fifa

veröffentlicht am Montag, 16.06.2014

Nachrichtenmagazin FOCUS (D)


Über dem Artikel, den ich für das deutsche Nachrichtenmagazin "Focus" schrieb, steht ein Titel, der nicht zum Text passt. Einerseits schreibe ich nicht von einem "Diktator", anderseits ist es nicht an mir, den Rücktritt von Sepp Blatter zu fordern. Die Entscheidungsträger in der Fifa müssen selbst entscheiden, wen sie an ihrer Spitze wollen. Wer sind diese Leute? Die Präsidenten der 209 nationalen Verbände, welche die Fifa bilden.

Focus Sport: Blatter, der Diktator

  

von Roland Rino Büchel, Schweizer Nationalrat

Der Mann hat wirklich Humor. Fast stündlich tauchen neue Einzelheiten zu den Schmiergeldzahlungen für die Fußball-WM 2022 in Katar auf – und was macht Sepp Blatter? Der 78-jährige Patriarch des Weltfußballverbandes Fifa kündigt seelenruhig die erneute Kandidatur für 2015 an, seine fünfte. Das macht viele meiner Mitbürger fassungslos. In einer aktuellen Umfrage fordern 96 Prozent (!) der Schweizer, dass gegen Korruption im Sport viel härter durchgegriffen werden soll. Die Eidgenossen zeigen Blatter und seiner Fifa damit die Rote Karte.

Deswegen werden wir handeln.

Am Mittwoch wird der Nationalrat mit grosser Wahrscheinlichkeit ein Gesetz beschließen, das hohe Funktionäre von Sportverbänden als „politisch exponierte Personen“ (PEP) einstuft. Bei der Fifa sind das alle 24 Mitglieder des Exekutivkomitees – und natürlich der Präsident. Auch die Exponenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und des europäischen Fußballverbandes Uefa werden enger an die Kandare genommen. Dabei müssen die Banken jede größere Ein- oder Auszahlung der Funktionäre überwachen. Sie werden dadurch wie die Diktatoren Robert Mugabe aus Simbabwe, Kim Jong-un aus Nordkorea oder Omar Hassan al-Bachir aus dem Sudan künftig genau kontrolliert.

Die alarmierenden Zustände bei der Fifa sind seit vier Jahren auf der politischen Agenda und Gegenstand verschiedener Gesetzesvorstöße im Parlament. Die Reaktion vom noblen Zürichberg, wo die Fifa sitzt? Medienwirksam hat Blatter seine zahnlose Ethikkommission mit dem Strafrichter Hans-Joachim Eckert und dem ehemaligen New Yorker Staatsanwalt Michael Garcia aufgepeppt.

Garcia brachte Mafia-Gangster und Wall-Street-Betrüger vor Gericht. Doch bei der Fifa beißt er sich die Zähne aus.
Die ständigen Korruptionsvorwürfe gegen das Fifa-Regime beschädigen die Reputation unseres Landes. Es gilt nun, den illegalen Machenschaften der Sportfunktionäre das Handwerk zu legen. Neben der „PEP-Regelung“ sind weitere Gesetzesänderungen in der Pipeline. So wird Privatbestechung bald schon zum Offizialdelikt.

Was heißt das konkret? Wären die Gesetze heute in Kraft, so müsste die Staatsanwaltschaft beispielsweise im Bestechungsfall um Katar unverzüglich anfangen zu ermitteln. Der Grund: die WM-Vergabe an den Wüstenstaat erfolgte in Zürich. Da spielt es keine Rolle, dass der ehemalige Blatter-Spezi Mohamed bin Hammam in der Karibik oder in Afrika geschmiert hat.

Falls es doch einmal einen Blatter-Nachfolger gibt: Der Mann wird es wirklich schwer haben. Er muss einem gut eingebürgerten Treiben ein Ende setzen. Denn der Druck der Öffentlichkeit nimmt stetig zu. Nicht nur in der Schweiz, auch ausserhalb. So beraten sich Mitte September sämtliche europäischen Sportminister in der Schweiz. Thema: Korruption und andere Machenschaften im Sport.

Gut möglich, dass der neue Fifa-Mann das milliardenschwere Gebilde in eine Rechtsform bringen muss, welche die jahrzehntelange Klüngelwirtschaft und das intransparente Bonussystem beendet. Boni? Die 25 „ehrenamtlichen“ Fifa-Spitzenfunktionäre bedienen sich im Schnitt mit Summen im Millionenbereich. In Dollar, jährlich, pro Kopf! Und dies trotz einer Rechtsform mit Governance-Regeln wie bei einem kleinen Jodel-Chörli oder einem Tischtennis-Club. Nur: Dort fließen keine Millionen in die Taschen gieriger Funktionäre.

An Blatter perlt hingegen alles ab. Bei Korruptionsvorwürfen, Betrug und Untreue in seinem Reich müssen andere gerade stehen. Seit 2010 hat er acht Vertraute aus dem Fifa-Vorstand geschmissen. Und mit der Sperre von Beckenbauer ist klar: Der schwelende Konflikt mit Fussball-Europa ist zum Krieg geworden.

Sind wirkliche Reformen unter Blatters Diktat möglich? Ich würde nicht darauf wetten. Aber ich mache einen anderen Tipp: Sepp Blatter wird als Fifa-Präsident von uns gehen.

Alle Aktuellbeiträge