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Burkhalter: Von der grauen Maus zum Vorzeige-Bundesrat
veröffentlicht am Donnerstag, 08.05.2014 13.00 Uhr
TagesAnzeiger online, Basler Zeitung online, Bund online, andere
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Von der grauen Maus zum Vorzeige-Bundesrat
Von Raphaela Birrer, Lynn Scheurer. Aktualisiert um 14:16 56 Kommentare
Grosser Auftritt auf der politischen Weltbühne: Didier Burkhalter führte gestern in seiner Rolle als OSZE-Vorsitzender Friedensgespräche mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin – und rang diesem Zugeständnisse ab. Putin zeigte sich überraschend dialogbereit. Die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine rief er zur Verschiebung ihres «Referendums» über die Unabhängigkeit der Region auf. Und Russland werde seine Truppen von der ukrainischen Grenze abziehen, kündigte er an.
Burkhalter war es bei den Gesprächen offenbar gelungen, zumindest Bewegung in die verfahrene Situation zu bringen. Er selbst gab sich indes nach dem Besuch zurückhaltend: «Ich bin nicht so zuversichtlich. Aber die Offensive in Richtung Dialog ist notwendig.» Schweizer Aussenpolitiker werten den gestrigen Auftritt des Schweizer Aussenministers dennoch als Erfolg.
Sogar bei der SVP ist man voll des Lobes. «Burkhalter macht seinen Job als Aussenminister und als OSZE-Vorsitzender hervorragend. Er agiert mit einer Mischung aus Bescheidenheit und Selbstbestimmtheit. Zudem ist er höflich, gut aussehend und eloquent – ein talentierter Diplomat», sagt Luzi Stamm. Dass er diskret agiere und das mediale Blitzlichtgewitter nicht suche, spreche für ihn.
Auch Roland Rino Büchel (SVP), Vize-Präsident der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats, schätzt Burkhalters zurückhaltende Art: «Er ist realistisch, das passt zu ihm und zur Schweiz. Übertriebene Emotionen sind untypisch für unser Land.»
Der Grüne Geri Müller hält es für einen glücklichen Umstand, dass mit Burkhalter ein Schweizer den OSZE-Vorsitz innehat. «Für einen Deutschen wäre die Situation schwieriger.» Der FDP-Bundesrat sei aber auch ein guter Vermittler.
«Staatsmännisch und zurückhaltend»
Die SP schliesst sich den netten Worten an: «Burkhalter macht eine gute Figur, er hat ein sicheres Gespür für seine Rolle», sagt Jacqueline Fehr. Sie schätze ihn als soliden Gesprächspartner, der sowohl bestimmt als auch bescheiden sei. Und FDP-Nationalrätin Doris Fiala ist «sehr stolz» auf ihren Parteikollegen.
Internationale Organisationen wie die OSZE würden immer wieder infrage gestellt, doch Burkhalter verleihe ihnen wieder Respekt und Gewicht. Als «staatsmännisch, zurückhaltend und realistisch» schätze sie ihn ein. «Er hat nichts Narzisstisches an sich und macht keine utopischen Versprechen.»
Die Aussenpolitiker räumen zwar allesamt ein, dass sich erst noch zeigen werde, ob die Verhandlungen mit Russland anhaltend erfolgreich waren. Zudem sei fraglich, ob der Fortschritt Burkhalter selbst und der OSZE zuzuschreiben sei.
Büchel relativiert: «Es wäre eine Fehleinschätzung, zu glauben, er und die Schweiz seien plötzlich entscheidende weltpolitische Player. Putins Zugeständnisse sind nicht auf die Gespräche mit der OSZE zurückzuführen, und ausserhalb der Schweiz wird Burkhalters Rolle im Konflikt nicht als zentral wahrgenommen.»
Schelte für EU-Verhandlungen
Trotz der guten Noten für die Vermittlung in der Ukrainekrise: Bürgerliche Politiker äussern auch Kritik an Burkhalters Amtsführung. «Die SVP hat dem Bundespräsidenten gegenüber nach wie vor Vorbehalte wegen der Verhandlungen mit der EU», erinnert Stamm.
Und Büchel sagt: «Dass er seine Arbeit tatsächlich gut macht, muss er jetzt in den Verhandlungen mit der EU beweisen – dieses Dossier ist viel wichtiger.»
CVP-Nationalrätin Kathy Riklin bezweifelt, ob das EDA in den Verhandlungen mit der EU die richtige Strategie verfolge. Und sie erwartet, dass Burkhalter breite Kreise einbezieht und einen guten Kompromiss findet, allenfalls in mehreren Schritten. «Er hatte vor der Abstimmung den Dialog mit allen Landesteilen und Bevölkerungsschichten zu wenig gesucht.»
Sichert Burkhalter den FDP-Sitz?
Durch das OSZE-Präsidium und das geschickte Agieren auf dem internationalen Parkett ist Burkhalter auch innenpolitisch stärker in den Fokus gerückt. Der einst technokratisch und unscheinbar wirkende Konsenspolitiker ist in seinem Amt geradezu aufgeblüht. Hält die wohlwollende politische Resonanz in der Schweiz an, dürfte sich dies unmittelbar auf Burkhalters Bundesratssitz auswirken – und Johann Schneider-Ammann endgültig zum Wackelkandidaten machen.
Doch so weit wollen die befragten Nationalräte noch nicht denken: «Bis zu den Bundesratswahlen kann noch viel geschehen», sagt Riklin. Der Wettkampf zwischen den beiden FDP-Magistraten sei schon länger eröffnet – Burkhalter sei im Moment der Ziellinie näher. Doch im Unterschied zum Aussenminister, der lediglich eine «Erosion» des Verhältnisses zur EU vorzuweisen habe, überzeuge Schneider-Ammann mit einem konkreten Resultat: dem abgeschlossenen Freihandelsabkommen mit China.
Fehr findet trotzdem, die FDP habe mit Burkhalter im Aussendepartement im Hinblick auf die Bundesratswahlen Glück – als Innenminister habe er nicht gut abgeschnitten. «Die neue Rolle liegt ihm offensichtlich besser.» Auch Fiala ist überzeugt, dass Burkhalter für die FDP Respekt und Ansehen gewinne.
Und Büchel attestiert ihm im Vergleich zu Schneider-Ammann «die überzeugendere Leistung – nicht erst seit der Ukrainekrise».
(Newsnet)
Erstellt: 08.05.2014, 13:09 Uhr