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Büchel: Die passive Neutralität ist ein Erfolgsgarant
veröffentlicht am Freitag, 11.04.2014
Zeit-Fragen
«‹Passive Neutralität› mit Anbieten von Guten Diensten – ein Garant des Erfolgs»
Interview mit Nationalrat Roland Rino Büchel, Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates, SVP St. Gallen
Zeit-Fragen: Ende März hat der Bundesrat beschlossen, keine Sanktionen gegen Russland zu ergreifen, sich also nicht der EU anzuschliessen. Wie beurteilen Sie diesen Schritt?
Nationalrat Roland Büchel: Das entspricht der Meinung der Aussenpolitischen Kommission. Es hat dort nie einen Antrag für Sanktionen gegen Russland gegeben. Trotzdem: Die Massnahmen, die im Rahmen des Schengen-Abkommens von uns mitgetragen werden müssen, sind nicht einfach nichts. Diese Einreisesperren kann man jedoch nicht als harte Sanktionen bezeichnen, das ist so. Dass der Bundesrat keine solchen beschlossen hat, ist erfreulich.
Dass wir die Schengen-Sanktionen mittragen müssen, ist doch eine Einschränkung der Souveränität?
Das sehe ich auch so. Auf Grund des Abkommens müssen wir hier mitmachen. Das ist ein Verlust an Souveränität.
Wie beurteilen Sie die Situation für die Schweiz?
Machen wir einen Parteienvergleich. Der Neutralitätsbegriff wird von der SVP sehr konsequent ausgelegt. Je weiter sie nach links gehen, desto weicher wird er interpretiert. Das spürt man natürlich auch in der Kommissionsarbeit. Der Vizepräsident der Aussenpolitischen Kommission des Ständerats, SP-Präsident Christian Levrat, hat kürzlich ziemlich um sich geschlagen. Für ihn hätte die Schweiz Sanktionen ergreifen müssen, wenn sie die Führung der OSZE nicht gehabt hätte. Ist das für Sie neutral? Für mich nicht.
Erstaunlich ist, dass er sich letztlich denjenigen in der Beurteilung anschliesst, die für den ganzen Umbruch in der Ukraine verantwortlich sind. Welche Rolle müsste hier die Schweiz einnehmen?
Unsere Rolle muss wirklich und klassisch neutral sein. Es braucht keine Form der Neutralität, die sich an die EU anlehnt. Dort geht es um Macht und eigene Interessen. Das ist legitim, aber nicht neutral.
Beim Kosovo hat die Schweiz relativ schnell die Unabhängigkeit anerkannt. Bei der Krim verurteilt man diesen Schritt. Warum?
Die Erklärung der EDA-Spitze ist, dass der Kosovo 10 Jahre um diese Frage gestritten habe, während es bei der Krim bis zum Entscheid nur rund 10 Tage ging. Man führt also den Zeitfaktor als Begründung an.
Wie sehen Sie das? Ist die Zeit ein Faktor hierbei?
Natürlich sind 10 «sichtbare» Tage für eine Entscheidungsfindung kurz. Eidgenössische Demokratiestandards haben sicher nicht gegolten. Trotz allem: Entscheidend ist, was das Volk will. Und das hat deutlich gesprochen.
Wie sehen Sie die Rolle Russlands in der ganzen Entwicklung?
Die Olympischen Winterspiele haben Russland und Putin politisch für einige Zeit blockiert. Während dieser Periode hat die europäische Seite offensichtlich geholfen, dass es auf dem Kiewer Maidan-Platz in ihrem Sinn «vorwärts» ging. Putin hingegen hat nach «Sotschi» seine Möglichkeiten resolut genutzt. Mit einem sehr schnellen Handeln hat er geholfen, die Fakten zu schaffen, die wir heute haben.
Für die Schweiz ist es klar, dass man hier weiter zusammenarbeitet.
Nicht für alle im Land. Nehmen wir als kleines Beispiel die Sonderbriefmarke der Post zum 200jährigen Jubiläum der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Russland. Verschiedene Nationalräte haben öffentlich gesagt, dass man die längst lancierte Briefmarke jetzt nicht bringen dürfe. Sie sehen, schon sind wir wieder bei einer merkwürdigen Interpretation des Neutralitätsbegriffs gelandet.
Wie sehen Sie das?
Wenn man so lange miteinander zu tun hat, gibt es bessere und schlechtere Zeiten. Die Schweiz hat die Beziehungen zu Russland in bedeutend schlechteren Zeiten aufrechterhalten – als die Menschen dort bedeutend weniger frei waren als heute.
Wie sieht das mit der Neutralität in bezug auf die Rolle der OSZE aus?
Dieser Vorsitz muss zu mehr Neutralität führen und nicht zu weniger. Auch nicht zu der von den Linken immer wieder geforderten «aktiven Neutralität». Für mich sind eine «passive Neutralität» mit dem Anbieten von Guten Diensten ein Garant des Erfolgs – und nicht das Politisieren mit dem erhobenen Zeigefinger. Zudem sollten wir die OSZE nicht überschätzen. Hängen wir deren Rolle also nicht zu hoch; geben wir ihr nicht eine Bedeutung, die sie schon lange nicht mehr hat.
Wie ist die Rolle des Sondergesandten des Bundesrates Tim Guldimann?
Er hat sich in letzter Zeit mehrfach negativ über unser Land geäussert, zum Beispiel im Zürcher Volkshaus, der Hochburg der Sozialisten. Zudem ist er ein glühender EU-Fan. Selbst wenn Botschafter Guldimann wirklich so gut wäre, wie er in den Medien immer wieder dargestellt wird, bliebe eine Frage: Kann und will er seine Rolle wirklich neutral ausfüllen? Wenn sich unsere Leute nicht mit der Schweiz identifizieren und sich zudem öffentlich derart auf eine Seite schlagen, ist deren Glaubwürdigkeit für die andere Seite der Konfliktparteien rasch im Eimer.
Also kann man zusammenfassend sagen, dass die Schweiz ihre Rolle als neutraler Staat auszufüllen hat und über die Guten Dienste versuchen kann, Verhandlungen für die verschiedenen Parteien anzubieten, um zu einer friedlichen Lösung zu kommen.
Das wäre das Verhalten des neutralen Staates, der auf Grund der Umstände eine angemessene Haltung einnimmt.
Herr Nationalrat Büchel, vielen Dank für das Gespräch. •
(Interview Thomas Kaiser)