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Korruption bei der Fifa schadet auch dem Ruf der Schweiz

veröffentlicht am Mittwoch, 07.11.2012

Tages Anzeiger, Bund, Basler Zeitung, Berner Zeitung, 24heures, Tribune de Genève (online)


http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Korruption-bei-der-Fifa-schadet-auch-dem-Ruf-der-Schweiz/story/10010979

www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Bundesrat-will-schaerfer-gegen-Korruption-im-Sport-vorgehen/story/23854957

«Korruption bei der Fifa schadet auch dem Ruf der Schweiz»

Interview: Hubert Mooser.

Wenn korrupte Leute entscheiden, solle die Schweiz keine Steuergelder für eine Olympiakandidatur einsetzen, sagt der St. Galler SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel.

Herr Büchel, Sportminister Ueli Maurer hat heute den Bericht zur Korruption im Sport dem Bundesrat vorgelegt. Sind Sie mit den Resultaten dieses Berichts einverstanden?
Der Bundesrat hat den Auftrag erfüllt, den ihm das Parlament in Form eines Postulates erteilte. Die Vorschläge, die in diesem Bericht aufgeführt werden, muss man im Einzelnen noch diskutieren. Ob alles tatsächlich einen Sinn macht, muss die politische Debatte zeigen.

Gibt es denn Vorschläge, die Ihrer Meinung nach keinen Sinn machen?
Man kann sich zum Beispiel fragen, ob es zielführend ist, wenn die Manipulation von Spielen zu einem Straftatbestand wird. Das wäre fast schon revolutionär. Es ist wichtig, dass man immer abklärt, was für «Nebenwirkungen» solche Massnahmen produzieren.

Ich stehe neuen Gesetzen grundsätzlich kritisch gegenüber. Es sollte am Ende nicht so herauskommen, dass man sehr viel Staub aufwirbelt, es aber trotzdem nichts nützt.

Wieso soll das revolutionär sein?
Zurzeit bestehen auf internationaler Ebene im Bereich Spielmanipulation und Wettbetrug keine Abkommen. Solche Probleme muss man auf jener Ebene anpacken. Das ist nicht einfach: Grossbritannien und die skandinavischen Länder stellen sich beispielsweise gegen eine verbindliche Regelung.

Und sonst sind Sie mit den Ergebnissen einverstanden.
Für den Fall, dass jemand Funktionäre besticht, gibt es einen Vorschlag von SP-Nationalrat Carlo Sommaruga. Seine parlamentarische Initiative will, dass dies zu einem Offizialdelikt wird. Das heisst, dass so eine Tat von Amtes wegen verfolgt werden müsste.

Das tönt zuerst einmal sehr gut. Wahrscheinlich bringt es jedoch wenig. Man kann damit zum Beispiel Vertreter aus Ländern wie der Ukraine und Kamerun nicht beeindrucken. Und man könnte sie auch kaum belangen, wenn ein Verstoss zudem noch in einem Drittland passiert. Darum meine Frage: Was nützen Gesetze, die man nicht durchsetzen kann?

Sie haben selber eine Motion eingereicht, in der Sie Massnahmen gegen die Sportfunktionäre fordern.
Die Korruption von Sportfunktionären ist auch Teil des jetzt vorliegenden Berichts. Meines Erachtens hätte man diesen Teil ausführlicher gestalten können.

Es muss dringend etwas gegen die Korruption bei den internationalen Sportverbänden unternommen werden, das steht ausser Frage. Wir stehen unter Zugzwang, weil vor allem die grossen unter ihnen ihren Sitz bei uns haben.

Die Korruptionsgeschichten schaden dem Image unseres Landes. Das hat auch der letzte Bericht von Präsenz Schweiz gezeigt. Unser Ansehen in der Welt hat wegen der Korruptionsfälle bei der Fifa nachweisbar gelitten.

Kann der Bericht des Bundesrats etwas in Bewegung setzen?
Ja, meine Motion aus dem Jahr 2010 und das Postulat des Ständerats aus dem letzten Jahr haben schon einiges in Bewegung gesetzt. Der Prozess geht weiter.

Haben Sie den Eindruck, dass die Sportverbände das Problem erkannt haben und wirklich gegen Korruption vorgehen wollen?
Beim internationalen Fussballverband Fifa ist einiges in Gang gekommen – wenigstens formell. Man hat die Ethikkommission in eine ermittelnde und eine Recht sprechende Kammer unterteilt. Jetzt müssen die Inhalte folgen.

Glauben Sie tatsächlich an eine Selbstreinigung der internationalen Sportverbände?
Es gibt hier einen Lackmustest in der Person von Joao Havelange: Er ist immer noch Fifa-Ehrenpräsident, obwohl er sich nachweislich hat korrumpieren lassen. Bis vor kurzem war er auch noch das letzte IOK-Mitglied auf Lebenszeit. Dort hat man ihm Ende des letzten Jahres die Möglichkeit gegeben, «ehrenvoll» zurückzutreten.

Wenn er bei der Fifa weiterhin Ehrenpräsident bleiben darf, so muss man die Ernsthaftigkeit der Fifa-Beteuerungen infrage stellen.

Als früherer Manager der Sportagentur ISL waren Sie auch Teil dieses Systems. Warum sind Sie vom Saulus zum Paulus geworden?
Ich hatte gar keine Gelegenheit, ein Saulus zu sein... Ernsthaft: Als die ganze Geschichte mit der ISL sieben Jahre nach deren Konkurs vor einem Gericht in Zug verhandelt wurde, waren alle Experten über das Ausmass der Korruption zwischen Sportagentur und Sportverbänden überrascht.

Es ging insgesamt um 140 Millionen Franken. Es wurden ja nicht nur Fifa-Funktionäre bezahlt, sondern auch solche vom Internationalen Olympischen Komitee (IOK). Bei rund 90 Prozent der Schmiergelder kennt man die Endempfänger bis heute nicht. Man weiss nur, dass es Sportfunktionäre sind.

Soll sich die Schweiz um die Olympischen Winterspiele bewerben, wo man doch weiss, dass dabei sehr viele Schmiergelder gezahlt werden?
Das hausinterne Ethikkomitee hat Ende des letzten Jahres zwei korrupte IOK-Mitglieder nur gerügt, anstatt sie hinauszuwerfen. Auch solche Leute werden darüber abstimmen, ob St. Moritz oder ein anderer Bewerber die Spiele 2022 bekommt. Ich denke, dass das IOK hier Ordnung schaffen muss.

Soll die Schweiz kandidieren?
Wenn korrupte Leute entscheiden, macht es keinen Sinn, dass die Schweiz Steuergelder für eine Kandidatur einsetzt. Die Milliardenkonzerne IOK, Fifa und Uefa müssen beim Kampf gegen die Korruption im Sport Schrittmacher sein.

Es ist wie in einer Familie: Gibt es ein Problem, dann spricht man darüber und löst es. Bei den Sportverbänden hat man zwar die Probleme erkannt, aber gelöst hat man sie noch nicht. Bei der Fifa und beim IOK sind immer noch Leute in Amt und Würden, welche für unsauberes Geld empfänglich sind.

Sie sagen, dass die Schweiz sich nicht um Winterspiele bewerben soll, wenn Schmiergelder im Spiel sind. Wie kann man das vorher wissen?
Wo man es weiss, kann man aufräumen. Diese Arbeit haben die Verbände noch nicht restlos erledigt.

Kann die Schweiz als kleines Land überhaupt etwas gegen die Korruption bei den grossen internationalen Sportverbänden ausrichten?
Die Sportverbände geniessen bei uns ausgeprägte Privilegien. Wir können ihnen sagen: Wir lassen euch eure Vorteile, aber im Gegenzug erwarten wir, dass ihr mit der Korruption ein für alle Mal aufräumt. Die Sprache des Geldes wird von den Verbandsfunktionären sehr gut verstanden, glauben Sie mir.

Wir sollten dieses Druckmittel einsetzen, zumal es auch um die Reputation der Schweiz geht. Dieser Weg ist erfolgversprechender und vor allem schneller als neue Gesetze, die nur schwer umsetzbar sind.

Die Verbände könnten ihren Standort in ein anderes Land verlegen.
Verbände, die nicht bereit sind, Ordnung zu schaffen, können wir getrost ziehen lassen. Sie schaden nur dem Image der Schweiz. IOK und Fifa wissen sehr wohl um die Vorzüge der Schweiz, die anderen rund 60 internationalen Sportverbände auch. So schnell gehen sie hier nicht weg. Bei der Fifa hat mir Präsident Sepp Blatter kurz vor seiner Wiederwahl auf eine entsprechende Frage ausrichten lassen, er habe sich immer zur Schweiz bekannt.

Sepp Blatter hat viel bewegt, und wenn er wirklich etwas gegen Korruption unternehmen will, dann wird ihm das auch gelingen.

(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)

Erstellt: 07.11.2012, 17:42 Uhr

 

Korruptionsbekämpfung im Sport

Der Sport hat eine erhebliche Professionalisierung und Kommerzialisierung erfahren. Damit haben sich laut dem vom Bundesrat heute abgesegneten Bericht auch neue Handlungsfelder für Korruption und Wettkampfmanipulation eröffnet. Mit dem Postulat Korruptionsbekämpfung und Wettkampfmanipulation im Sport der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Ständerats (WBK) wurde der Bundesrat beauftragt, einen Bericht über die auf nationaler und internationaler Ebene bestehenden Möglichkeiten zur Bekämpfung dieser Auswüchse zu erstellen.

Der Bericht kommt zur Erkenntnis, dass die bisherigen Massnahmen der (internationalen) Sportverbände nicht ausreichen, um Korruption effizient zu verhindern. Notwendig sind harmonisierte und verbindliche Good-Governance-Systeme auf allen Ebenen des organisierten Sports. Parallel zum Sport ist laut Bundesrat aber auch der Staat gefordert. Auf dem Spiel steht nicht nur die Integrität des Sports, sondern auch das Ansehen der Schweiz als Sitzstaat zahlreicher internationaler Sportverbände.

Die Schweiz prüft nun unter anderem Massnahmen wie die Einführung eines Straftatbestandes des Sportbetrugs. Ausserdem wird die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts zum Thema. Geprüft wird in diesem Zusammenhang unter anderem die Frage, ob Mitglieder in der Schweiz ansässiger nationaler und internationaler Sportverbände dem schweizerischen Korruptionsstrafrecht unterstellt werden sollen.

Roland Rino Büchel

SVP-Nationalrat Roland Büchel arbeitete früher bei der Sportagentur und Sportrechtefirma ISL. Das Unternehmen ging vor 11 Jahren in Konkurs. Vor Gericht wurde bekannt, dass die ISL offenbar grosse Summen an Schmiergeldern zahlte, um sich die Vermarktungs- und Fernsehrechte der Fifa zu sichern. Büchel kämpft seither gegen die Korruption im Sport an und hat dazu auch Vorstösse im Parlament eingereicht. Der 47-Jährige sitzt seit 2010 im Nationalrat.

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