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Kanton St. Gallen: Unternehmerische Bauern oder mähende Polizisten?

veröffentlicht am Mittwoch, 02.05.2007 20.21 Uhr


Kantonsrat: Einfache Anfrage

Erstens: Im April dieses Jahres haben sich „ip-suisse“, ein innovativer Aargauer Jungbauer und ein ebenso innovativer Gossauer Jungbauer gefunden. Sie haben eine attraktive Werbung auf einer Wiese gestaltet. Durch Einmähen ins Gras und Einfärben des rot-schwarzen „Marienkäfer-Logos“ ist dank einer präzisen Umsetzung in der Nähe der Autobahn bei Gossau ein werberisches Kunstwerk entstanden. Zum Einfärben wurden natürliche Kasein-Farben verwendet. Das scheint zu viel des Guten für den St. Galler Beamtenapparat. Der gleiche Schriftzug wurde im letzten Jahr neben der Autobahn mit grossem Erfolg bei Dagmersellen LU gestaltet und während Monaten liebevoll und professionell bewirtschaftet. Die Innerschweizer Behörden betätigten zu keinem Zeitpunkt als Verhinderer.

Zweitens: Am 8. Januar 2004 berichtete das St. Gallische Justiz- und Polizeidepartement den Medien, dass es zusätzlich 47 Polizisten brauche. Dies wäre die Minimalvariante. Es schien angeblich viele vernünftige Gründe für eine Aufstockung zu geben. Deshalb stimmte der Kantonsrat dem Begehren und der einhergehenden massiven Mehrbelastung der St. Galler Steuerzahler zu.

Gemäss Beiträgen im TVO vom letzten Freitag, im „St. Galler Tagblatt“, in „20Minuten“ und anderen Medien scheint sich die Polizei neue Aufgaben zu geben: Sie soll sich zum Teilzeitbauern machen. Macht sie sich auch lächerlich? Die Zeitungen berichteten am 1. Mai 2007.

Zur Grundlage: Seit 1999 setzt ein junger Aargauer Landwirt ein innovatives Konzept um, die so genannte „Feldwerbung“. Die Idee verlinkt Wirtschaft und Landwirtschaft. Sie fördert das Verständnis untereinander und eröffnet gegenseitig Chancen.

Neben Weltmarken wie „Nokia“ setzen traditionelle Schweizer Unternehmungen wie „Möbel Märki“ und „Die Post“ auf die Idee des Jungbauers. Genauso wie naturnahe Brands wie „gaz naturel“. Der Aargau verlieh der „feldwerbung.ch“ im Jahr 2002 den kantonalen Innovationspreis. Der weltbekannte Schwyzer Messerhersteller „Victorinox“ machte im letzten Jahr mit der Schweizer Idee auf der Anflugschneise des Münchner Flughafens erfolgreich Werbung. München-Riem verfügt über ein jährliches Passagieraufkommen von 30 Millionen Menschen.

So viel zur Realität in der Welt und in der restlichen Schweiz. Jetzt zum Kanton St. Gallen. Hier haben sich Regierung und Verwaltung einmal (für teures Steuergeld) einen Spruch gegeben: „St. Gallen kann es.“ Sie haben Recht: Gewerbe, Landwirtschaft, Industrie und Bevölkerung bewegen sich vorwärts. Aber die Regierung und die Verwaltung? Sind sie vom Tempo überfordert? Wollen sie die innovativen Kräfte im Kanton einbremsen?

Was „kann“ das offizielle St. Gallen? Und noch wichtiger: Was „tut“ das offizielle St. Gallen? – Die St. Galler Obrigkeit macht sich daran, Innovationen junger Menschen im Keim zu ersticken. Dieses St. Gallen lässt die Polizei drohen, dass Wiesen in ihrem Auftrag gemäht würden. Dieses St. Gallen kriminalisiert innovative Kräfte. Dieses St. Gallen macht sich daran, privates Eigentum zu verletzen.

Aufgrund dieser Feststellungen ergeben sich die folgenden Fragen:

1. Ist die Regierung der Ansicht, dass das Polizeicorps seit 2004 zu stark aufgestockt worden ist und dass deshalb, als quasi innovative Arbeitsbeschaffungsmassnahme
a) neue Kriminellenkategorien geschaffen werden müssen?
b) innovative Jungbauern und Jungunternehmer sich besonders gut für solcherlei drangsalierende Massnahmen eignen?

2. Wird die Regierung – falls es tatsächlich zur staatlich verordneten Verletzung privaten Grundeigentums kommen sollte – darauf bestehen, dass
a) die Wiese bei Gossau durch Beamte in Uniform gemäht werden soll?
b) diese Arbeit zum Schutz der Polizeibeamten und aus Respekt vor denselbigen wenigstens in Zivilkleidung verrichtet werden kann?

3. Falls die Polizei die Wiese im Auftrag mähen lassen will:
a) Wo gedenkt die Regierung, Personal für diesen Job zu finden?
b) Zu welchen Ansätzen und in welchem Verfahren würde der Auftrag vergeben?
c) Falls die Arbeiten durch Staatsangestellte aus anderen Departementen erledigt werden: Gibt es dort freie Kapazitäten oder welche Arbeiten würden dadurch liegen bleiben?
d) Wie viele Polizisten werden eingesetzt werden müssen, um diesen Eingriff in das private Eigentum vor der (ich stelle das als Annahme in den Raum) aufgebrachten Bevölkerung zu schützen?

4. Wird die Regierung bei der Auswahl künftiger Polizisten anders als bisher vorgehen und
a) die Interessierten schon vor dem Unterzeichnen des Arbeitsvertrages darauf aufmerksam machen, dass auch Einsätze gegen die unschuldige Bevölkerung und das private Eigentum verlangt werden?
b) darauf achten, dass genügend Leute mit landwirtschaftlicher Ausbildung (oder mindestens einer minimalen „Mähkompetenz“) die Polizeirekrutenschule absolvieren?

5. Wenn kein Geld verdient würde, wenn also die Wirtschaft nicht angekurbelt wird, hätte die Polizei gemäss eigener – in den Medien veröffentlichter – Argumentation keine Handhabe gegen die Feldwerbung. Dürften gemäss Auffassung der Regierung – als Beispiele – die untenstehenden Begriffe demzufolge stehen gelassen werden?
a) „Amtsschimmel.ch“
b) „St. Gallen kann es.“
c) „Theater in St. Gallen“
d) „Put-Optionen.Rauh.ch“
e) „Schikane.ch“

6. Es ist anzunehmen, dass die staatlichen Eingriffe ins Privateigentum nicht von beamteten Hilfskräften vorgenommen werden. (Hier geht es nicht um die „Mähgehilfen“ sondern um die „Schreibtischtäter“)
a) Wie viel kostet ein einziger zu einer solchen Verfügung berechtigter Beamter – bei einer sauberen betriebswirtschaftlichen Rechnung – den St. Galler Steuerzahler im Jahr?
b) Wie viel verdient eine ganze Bauernfamilie im Kanton St. Gallen im Durchschnitt?

7. Wann informiert die Regierung über die Statistik zur erhöhten Unfallgefahr durch Feldwerbung, welche als Grundlage für das überzogene St. Galler Vorgehen von Experten sicherlich erstellt worden ist?
a) Wann und von wem wurde eine solche Statistik erstellt?
b) Wie viele Unfälle, welche erwiesenermassen auf Ablenkung durch Feldwerbung zurückzuführen sind, gab seit deren Bestehen (1999) in der Schweiz?
c) Wie viele zusätzliche Unfälle gab es im letzten Jahr bei Dagmersellen LU, wo exakt der gleiche Schriftzug und das gleiche Logo verwendet wurden wie jetzt in Gossau?

8. Zu den Massnahmen der Regierung, um übereifrige Staatsangestellte zur Raison zu bringen:
a) Welche Massnahmen sind bis zum gestrigen 1. Mai 2007 getroffen worden?
b) Welche Massnahmen werden wann, wo und wie getroffen?
c) Falls bereits Massnahmen getroffen worden sind – welche Einflussfaktoren haben dazu geführt?
d) Hatte die Regierung Kenntnis vom ursprünglichen Vorgehen ihrer Staatsdiener oder hat sie dieses gar veranlasst?


Roland Rino Büchel
2. Mai 2007

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