Ein Komitee, dessen Mitglieder "die vom Fifa-Kongress verlangten Reformen, insbesondere die Nulltoleranz im Korruptionskampf" umsetzen sollen - so proklamiert Fifa-Präsident Sepp Blatter seine Transparenz-Offensive. Doch Taten lässt der Schweizer seinen Worten bisher nicht folgen: Die Namen der Fifa-Funktionäre, die sich bestechen ließen, verschweigt er weiter.
"Wenn ich sie umbringen kann, bringe ich sie um!" So markig zitierte die Zürcher Gazette Blick den Fifa-Vizepräsidenten Julio Grondona am Freitag, dem großen Fifa-Reformtag, dazu gab es das Foto eines mafiös dreinblickenden Herrn und den Begleittext: "Don Julio, erster Stellvertreter von Sepp Blatter, über missliebige TV-Reporter."
Die Drohung des zweithöchsten Mannes im Fußball-Weltverband ist keine Boulevard-Erfindung, sondern gut hörbar dokumentiert auf argentinischen Videoclips - samt der üblichen Begleitvorwürfe: Der Funktionär soll von Korruption bei der TV-Rechtevergabe des von ihm seit Jahrzehnten beherrschten Landesverbands wissen und außerdem millionenschwere Konten in der Schweiz besitzen. Grondona weist alle Vorwürfe zurück. So, wie mindestens drei weitere Insassen des Fifa-Vorstandes, die aktuell mit Bereicherungsvorwürfen zu kämpfen haben.
In dieses Realgeschehen ist einzubetten, was die Fifa am Freitag als Reformpaket präsentierte. Gemessen an der Erwartung, welche die mit vormals persönlichen Blatter-Beratern neu besetzte Fifa-Medienabteilung über britische Medien geschürt hatte, war der Ertrag mager. Blatter präsentierte eine "Road map", einen Fahrplan zur sauberen Geschäftsführung, der bis 2013 abgearbeitet werden soll, sowie ein sogenanntes Komitee für "Good Governance", in dem externe Experten den Fußball überwachen sollen.
Bis Mitte Dezember sollen die Mitglieder der Gruppe benannt sein, die Blatter zufolge "sicherstellen soll, dass die vom Fifa-Kongress verlangten Reformen, insbesondere die Nulltoleranz im Korruptionskampf, umgesetzt werden". Daneben dürfen die neuen Wächter durchaus zur höheren Fifa-Ehre beitragen, wie Blatter kryptisch anklingen ließ: "Die Kommission muss ihre Meinung abgeben, damit der Fußball den verdienten Platz einer Weltinstitution einnehmen kann."
Das dürfte kein großes Problem werden. Denn einrücken in die Stakeholder-Gruppe sollen dem Fifa-Chef zufolge Fußballvertreter, "also Leute von Klubs, Verbänden, Spieler, Fans, Schiedsrichter, dazu Vertreter von Marketingpartnern, Sponsoren und Fernsehen, Politiker, Vertreter der Justiz, und die Zivilgesellschaft muss vertreten sein, etwa über eine Stiftung oder ähnliches, und die Öffentlichkeit". Womit der Kessel Buntes schon prall gefüllt wäre - schließlich will Blatter, wie er sagt, möglichst nicht mehr als 15 Leute drin haben. Darunter übrigens auch einen Repräsentanten von Transparency International (TI). Sylvia Schenk, Sportbeauftragte der Anti-Korruptionsorganisation, hat schließlich Leitfäden für das neue Selbstreinigungsprogramm ausgearbeitet.
TI muss nach diesem Freitag darauf achten, wie intensiv die Fifa mit dem guten Ruf der Organisation operiert. Schenk sagt, sie wisse das, sie wolle abwarten, wie sich die Dinge entwickeln. "Es ist der erste Schritt", sagte sie in Zürich, "die Arbeit fängt an. Ich sage nicht, dass die Fifa sauber ist."
"Mit dem Mandat beauftragt, die Fifa zu reformieren"
Das fand dafür - bis auf ein paar schwarze Schafe - schon wieder Blatter, der trotz der einführenden Worte seines neuen Pressechefs Walter de Gregorio ("Das ist eine Pressekonferenz, kein Verhör"), ein paar Kritiken parieren musste. Etwa die, ob er nicht als Hauptverantwortlicher an den hier verhandelten Problemen der Fifa nach 30 Jahren in Führungspositionen zurücktreten wolle? Der 75-jährige Schweizer, gerade für weitere vier Jahre gewählt, verengte die moralische Problemstellung aufs Formale: "Das kann ich nicht. Ich bin gewählt vom Kongress und mit dem Mandat beauftragt, die Fifa zu reformieren."
Substantiell bleibt im Korruptionsbereich auch sonst alles beim Alten - kein Ansatz ist in Sicht, wie amtierende Vorständler zu belangen wären. Die allzeit umstrittene Ethikkommission soll in zwei Kammern aufgeteilt werden, personell aber, räumt TI-Vertreterin Schenk ein, könne sich dort vor 2013 nichts ändern. Aber Blatter hatte ja noch ein Schmankerl, das in den Tagen zuvor fleißig lanciert worden war: Will er nicht endlich die Einstellungsverfügung des Zuger Strafgerichts veröffentlichen, in der hohe Fifa-Funktionäre benannt sind, die sich von der früheren Hausagentur ISL hatten bestechen lassen? Bis zuletzt hatte Blatter die Offenlegung juristisch blockiert. Kam jetzt die Kehrtwende?
Mitnichten. Offengelegt werden soll das brisante ISL-Dokument nur in der Fifa-Exekutive, ausgerechnet dort, wo ja einige Betroffene sitzen, dann wandert es weiter "an eine unabhängige Organisation, die den Inhalt bewertet und uns Vorschläge macht". Was daraus erwächst, bleibt im Ermessen der Exekutive. Strafrechtlich sind die ISL-Vorgänge verjährt - und falls der Fifa-Vorstand einen Sünder diskret zum Rücktritt auffordern sollte wird, kann der das tun oder nicht.
Medienvertreter, die seit längerem gerichtlich um die Offenlegung des Dokuments streiten, erklärten am Freitag, diese Sache weiter voranzutreiben. Und der Schweizer Abgeordnete Roland Büchel, der einen Gesetzesentwurf gegen korrupte Sportfunktionäre erarbeitet, kündigte "parlamentarische Schritte an - es ist wieder nichts passiert".