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Büchel-Kolumne im LEADER: Die Ersatzwahl in den Bundesrat und Pellis langes Messer
veröffentlicht am Donnerstag, 28.10.2010
Unternehmermagazin LEADER, Ausgabe Oktober 2010
Vor einem Monat kam es erstens anders als man zweitens in der Ostschweiz dachte: Karin Keller-Sutter wurde nicht in den Bundesrat gewählt. Bis heute wird darüber lamentiert. Was lief in Bern vor den Wahlen ab? Wer machte Johann Schneider-Ammann zum König? Die Antwort wird Sie überraschen.
Es schien wie ein Drama in zwei Akten: erstens die Bundesratswahl, zweitens die Verteilung der Departemente. Von innen her gesehen war es anders. Die eigentliche Aufführung des Theaters war nicht matchentscheidend. Ausschlaggebend waren die Proben für das Bühnenstück. Dort – und hinter den Kulissen – wurden die queren Pläne geschmiedet. 99 Prozent der Journalisten waren zu weit weg vom Schuss; sie verpassten das Wesentliche.
Nur von wenigen ausserregionalen Medien war, ganz am Rande, zu vernehmen: Es hat kaum etwas mit einzelnen Ostschweizer Parlamentariern zu tun, dass die Wilerin heute nicht im Bundesrat sitzt. Woran liegt es denn?
Die Antwort ist erbarmungslos: Karin Keller-Sutter war von der Rennleitung ihrer eigenen Partei abgeschossen worden. Sie ist sich dessen bewusst, nebenbei. Kein Wort darüber in den grossen Zeitungen. Und schon gar nicht in den Medien von SG, AR und AI. Eine sackschwache Leistung.
Pelli kürt König
Niemand anders als FDP-Präsident Fulvio Pelli machte Keller-Konkurrent Schneider-Ammann zum König. Und „Cara Carina“ zur Bettlerin. Der Tessiner wollte den Berner und nicht die St. Gallerin ins Stechen gegen den Freiburger Unternehmer Jean-François Rime schicken. Und zwar um jeden Preis.
Lesen Sie jetzt, was Bundeshauskorrespondent Christof Forster, ein gewiefter Insider, am Tag nach der Wahl schrieb und was ein Tessiner Privatradio sendete:
„FDP-Bundesratskandidatin Karin Keller-Sutter hätte gestern gar nicht erst ins Bundeshaus kommen müssen. Es bestehe keine Gefahr, dass sie in die Schlussrunde vorstosse, hatte FDP-Präsident Fulvio Pelli in der fiebrigen Atmosphäre der Berner Bellevue-Bar einem Journalisten gesagt – es war die berühmte Nacht der langen Messer. (…) Was Pelli nicht wusste: Keller-Sutter stand gleich hinter ihm, als er das sagte. Jetzt war sie geknickt: All die Hoffnung, die sie aus ihren hervorragenden Auftritten vor den Fraktionen schöpfte, war mit einem Schlag praktisch weg.“
Abgeschlagene Keller-Sutter
Was geschah am Morgen danach? Im ersten Wahlgang holte die St. Gallerin nicht einmal ein Fünftel der möglichen Stimmen. Als später der eine oder andere Gegner verzichtete oder ausschied, kamen für Keller-Sutter noch 32 Stimmen dazu. Damit war das Ende der Fahnenstange erreicht. Im vierten Wahlgang schied die einstige Mitfavoritin mit 76 Stimmen aus, mit klar weniger als einem Drittel aller Voten also.
Oberpeinlich ist: Eine oder zwei Stimmen mehr wären drin gewesen. Doch ein ihr freundlich gesinnter BDP-Mann aus dem Bündnerland und eine FDP-Frau aus der Waadt sassen nicht an ihrem jeweiligen Platz als die Wahlzettel verteilt wurden…