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Roland Rino Büchel, sicht- und spürbare Lust am Politisieren
veröffentlicht am Mittwoch, 07.10.2009 16.58 Uhr
Rheintalische Volkszeitung
Hier das komplette Interview von Milena Caderas. In der Zeitung mussten die Antworten aus Platzgründen etwas gekürzt werden:
Herr Büchel, was halten Sie eigentlich von externer Kinderbetreuung? Jasmin Hutter hat sich ja bis zuletzt vehement gegen eine staatliche Unterstützung externer Kinderbetreuung eingesetzt?
Ich selbst habe keine Kinder. Es wäre nicht richtig, wenn ich so täte, also ob ich in diesem Bereich ein Fachmann wäre. Klar ist jedoch, dass es nicht die Aufgabe eines freiheitlichen Staates sein kann, die Fremdbetreuung der Kinder besser zu stellen als familieninterne Lösungen.
Es gibt eine weitere Gemeinsamkeit zwischen Ihnen und Jasmin Hutter: Sie haben beide nie auf kommunaler Ebene politisiert. Was hat Sie 2004 motiviert, als Kantonsrat und für die SVP zu politisieren?
Warum Kantonsrat? Es gab und gibt verschiedene Gründe. Ich hatte in den neunziger Jahren sehr viel im Ausland zu tun. Einerseits für Schweizer Botschaften und Konsulate, anderseits für grosse internationale Sportanlässe. Das hat mich geprägt. Im Ausland wird dir erst richtig bewusst, was wir Schweizer an der direkten Demokratie haben.
Warum SVP? Ich wollte und ich will meinen Beitrag leisten, dass unsere weltweit einmaligen Volksrechte nicht unter die Räder kommen. Sie mussten von unseren Vorfahren hart erkämpft werden. Genauso wie die Freiheit und die Unabhängigkeit. Die SVP steht für direkte Demokratie und Föderalismus. Deshalb ist unsere Partei klar gegen den EU-Beitritt.
Stimmt es, dass sie auch beruflich Berührungspunkte mit Frau Hutter haben?
Es gibt tatsächlich eine Parallele: Jasmin arbeitete vor etwa zehn Jahren auf der Altstätter Regionalbank, wo ich vor mehr als 25 Jahren meine Stifti gemacht hatte.
Gab es Enttäuschungen in Ihrer politischen Laufbahn?
Selbstverständlich. Das gehört zum politischen Leben. Ich nenne Ihnen ein Beispiel aus der letzten Septembersession in St. Gallen. Es ging um die Frage nach der Anzahl der Staatsangestellten im Kantonsrat. Das Ratspräsidium hat mir die Antwort schlicht verweigert. Wenn ich daran interessiert sei, könne ich ja selbst im Internet nachschauen.
Und Ihre Reaktion?
Ich habe nachgeschaut - und bin schon bald erschrocken. Sieben von den ersten zehn der aufgelisteten Kantonsräte arbeiten im öffentlichen Dienst oder in staatlichen Betrieben.
Man muss wissen, dass der Kantonsrat jedes Jahr die Löhne der kantonalen Angestellten festlegt. Dabei geht es um weit mehr als eine Milliarde Franken. Und niemand will wissen, welche Politiker beim Kanton arbeiten. Nicht einmal die Journalisten.
Bald werden Sie auf nationaler Ebene politisieren. Gibt es eine Sachfrage, wo Sie klar von der Parteilinie abweichen?
Wenn es entscheidende Unterschiede gäbe, wäre ich nicht in der SVP und hätte mich vor zwei Jahren ganz sicher nicht auf die Nationalratsliste der Partei setzen lassen.
Sie sagen von sich selber, nur selten am Stammtisch anzutreffen zu sein. Wann und wie vernehmen Sie Volkes Stimme?
Im täglichen Leben, wie jeder andere auch. Das heisst: im Privaten, bei politischen Standaktionen, an Versammlungen, an Sportanlässen, in Gesprächen, aus den Medien, bei Debatten, aber auch am Tisch neben dem Stammtisch...
Seit Ihrer Banklehre in Altstätten haben Sie in 20 Ländern auf vier Kontinenten gearbeitet, das Rheintal aber nie definitiv verlassen. Was gefällt Ihnen am Rheintal?
Sehr vieles. Vor allem die Leute mit ihrer Offenheit und Gradlinigkeit. Ich habe auf der ganzen Welt keinen Menschenschlag angetroffen, auf den der Begriff „harte Schale, weicher Kern“ besser passt als auf die Rheintalerinnen und Rheintaler.
Was gefällt Ihnen nicht?
Manchmal sind wir, von Bern oder Zürich aus betrachtet, etwas „weit weg vom Schuss“. Das hat zwar auch seine Vorteile, hemmt aber die wirtschaftliche Entwicklung der Region.
Waren Sie eigentlich schon mal in der Wandelhalle?
Als ich von 1992 bis 1998 für Emmentaler, Gruyère und Sbrinz das Sponsoring der Schweizer Skinati leitete, hatte ich öfters im „Bundeshaus“ zu tun. Die damalige Käseunion war ja eine Art halbstaatliche Firma. Abgesehen davon war ich mehrmals als ganz gewöhnlicher Zuschauer auf den Tribünen von National- und Ständerat. Zuletzt an dieser Septembersession.
Kennen Sie die SVP-Parteivertreter gut?
Ich denke ja. Ich schätze die St. Galler SVP-Nationalräte Toni Brunner, Theophil Pfister, Elmar Bigger und Lukas Reimann als Menschen, und ich schätze deren Politik. Sie sind fleissig und engagiert. Sie alle machen – wie wir Rheintaler es speziell von Jasmin Hutter her kennen – eine gradlinige und klar bürgerliche Politik.
Wie ist Ihr Verhältnis zu den SVP-Nationalräten der anderen Kantone?
Ich bin nationaler SVP-Delegierter. Am letzten Wochenende war ich zum Beispiel in Genf. Ende Oktober bin ich am "Sonderparteitag Landwirtschaft" im luzernischen Wauwil. An solchen Parteianlässen tauschen sich die kantonalen und die nationalen Parlamentarier aller Landesgegenden regelmässig aus. Da lernst Du die Leute mit ihren politischen Ansichten und auch privat kennen.
Haben Sie auch Kontakt zu den St. Galler Parlamentariern der anderen Parteien?
Mit Walter Müller von der FDP trat ich mehrmals an politischen Podien auf. Auch mit Lucrezia Meier-Schatz kreuzte ich schon die Klingen. Zuletzt bei der Vorlage für die Mehrwertsteuererhöhung. Sie war dafür, ich war dagegen. Thomas Müller (CVP) und Yvonne Gilli (Grüne) sind mir aus unserer gemeinsamen Zeit im Kantonsrat bekannt.
In der Arena von SF DRS stand ich Hildegard Fässler von der SP gegenüber. Das Thema lautete: Gewalt im Sport. Mit Gewerkschafter Paul Rechsteiner und CVP-Mann Jakob Büchler aus dem Linthgebiet hatte ich bisher weniger zu tun.
Einem politischen Senkrechtstarter wie Ihnen dürfte es schwerfallen, als „Neuling“ erst einmal hinten anzustehen.
Senkrechtstarter? Immerhin habe ich schon fünfeinhalb Jahre im Kantonsrat auf dem Buckel. Doch es stimmt natürlich, dass ich in Bern noch einiges zu lernen habe. Dabei ist es ein grosser Vorteil, dass die SVP im Nationalrat eine sehr solide St. Galler Vertretung hat. Meine Kollegen werden mich gut unterstützen. Da habe ich gar keine Bedenken.
Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn Sie an die Arbeit als Nationalrat denken?
Grundsätzlich spielt es keine Rolle, ob ich Freude habe oder nicht. Es gibt einen Wählerauftrag zu erfüllen. Aber es ist natürlich so, dass der Mensch seine Arbeit besser macht, wenn er Spass an der Sache hat. Das geht doch allen so.
Sogar erbitterte politische Gegner räumen ein, dass „beim Quereinsteiger aus dem Rheintal die Lust am Politisieren sicht- und spürbar sei“. Man muss den Gegnern ja nicht immer widersprechen...