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Büchel-Kolumne im LEADER: FC St. Gallen - Machen auch Bratwürste dumm und treu?
veröffentlicht am Freitag, 20.03.2009 08.17 Uhr
Unternehmermagazin LEADER
Bei uns gibt es die AFG Arena, das Stadion mit dem Acker über dem Einkaufszentrum. Was sinnvoll wäre, wenn denn auch Kartoffeln angepflanzt würden. Doch das Feld ist geheizt und für den Fussball angelegt. Im Vergleich dazu spielt es sich auf der Gossauer Buechenwald-Anlage und der Wohlener Niedermatten wie auf einem Teppich. Den gibt es in St. Gallen auch. In den oberen Etagen der Arena.
Die Leute dort nehmen sich für wichtiger als sie sind. Lassen wir sie in ihren Büros und den Logen. Gehen wir dorthin, wo „geackert“ wird. Auf dem Feld stehen pro Mannschaft elf Spieler. Und einige sitzen daneben. Beim FC St. Gallen hat es zu viele davon. Überdies sind sie, zumindest für die Dosenbach-Liga, weit überbezahlt.
Wer berappt die Gehälter der Mannschaft? Die Sponsoren und die Investoren tun es zum Teil. Mehr Geld als alle Financiers bringen jedoch die Zuschauer. Sie erwerben teure Tickets, sie essen, sie trinken, und sie kaufen Fanartikel.
Kartoffeln anstatt Bratwurst als St. Galler Spezialität?
„Kartoffeln machen dumm und treu“, sagt der Volksmund. Manch einer könnte deshalb spekulieren, dass den St. Galler Fans die Knollen zwangsverfüttert werden. Frisch ab Fussballacker, quasi.
Übertrieben? Gut, dann. Wo auf der Welt gibt der Besucher, um sich eine Partie gegen Wohlen anzuschauen, 85 Franken aus? Macht für Mama, Papa und zwei Teenager exakt 340 Franken für normale Plätze auf der Haupttribüne. Zu dieser Auslage an der Tageskasse kommen weltrekordverdächtige 15 Franken für den Parkplatz. Ein ganzes Jahr Weltklassefussball ist andernorts günstiger als dieser einmalige Familienausflug zum Match vom 29. März.
FC Bayern, AC Milan und Inter
Für weniger als den Preis von vier St. Galler Matchtickets gibt es während einer Saison gedeckte Tribünenplätze in der AllianzArena Bayerns mit Ribéry, Klose, Luca Toni auf dem Rasen und Beckenbauer auf dem Kaiserthron. Noch besser: Alle 38 Spiele von Inter Mailand und Presidente Berlusconis AC Milan kosten zusammen gut 400 Franken. Inklusive Superstars wie Beckham, Kaka, Ronaldinho, Maldini, Adriano, Figo, Ibrahimovic, 20.7-Millionen-Jahresgage-Trainer José Mourinho und die phänomenale Stimmung im Stadio Giuseppe Meazza mit 82'995 überdachten Sitzplätzen.
Wer nicht zwei oder drei Stunden Auto fahren will und wem das Dosenbach-Niveau genügt, der hat ennet dem Rhein die Wahl zwischen drei Klubs der beiden obersten Ligen Österreichs. Im Vorarlberg kosten Jahresabos zum Vollpreis ein gutes Hunderternötli.
Jugendliche bezahlen für Spiele gegen Traditionsklubs wie Austria Wien, Sturm Graz, Red Bull Salzburg oder Rapid Wien genau drei Franken. Mit 15 Franken sind die Fünfzehnjährigen bei zwei Partien auf den besten Sitzen der Haupttribüne live dabei. Dafür kann ihr Vater sein Auto in der St. Galler AFG Arena genau einen Match lang stehen lassen.
Vielleicht hat der FC St. Gallen tatsächlich die treuesten Fans der Welt. Ob es am überdurchschnittlich hohen Kartoffelkonsum von uns Ostschweizern liegt? Trotz dieser Ausgangslage müssen die zahlreichen St. Galler Chefs und Bürolisten in Sachen Ticketpolitik dringend über die Bücher. Denn die Knolle mag wohl treu machen. Aber nicht zu jedem Preis. Nicht für jede Liga. Und nicht für alle Dauer.
Der Rheintaler Roland Rino Büchel ist seit fünf Jahren Kantonsrat für die SVP. Der Sportmanager ist erster Ersatz für den Nationalrat. Im Fussball war er Marketingchef bei Fifa-Junioren-Weltmeisterschaften in Mittel- und Südamerika, den Klub-Weltmeisterschaften in Japan sowie den Afrika-Meisterschaften. (www.rolandbuechel.ch)